Halt, halt, nicht so schnell!
Die Richtlinien sind immer so etwas wie ein Konzept, mit einer standardisierten Vorgehensweise von der Befundung über die Diagnose, die Auswahl der Hilfsmittel zu einer Therapie und zu einem "möglichst reproduzierbaren" Therapieerfolg zu kommen. Sie sollen gerade jenen "kreativen Wildwuchs" eindämmen, der durch langwierige, selbstgestrickte (und doch häufig auf wunderbare Weise doch irgendwie erfolgreiche!) Rezepturen im öffentlich-finanzierten Gesundheitswesen zu unkalkulierbaren Ausgaben-(Versicherungs-)risiken führt.
Es muß alles mit möglichst hoher Effizienz zu einem möglichst exakt vorhersehbaren Ergebnis kommen und das bei größtmöglicher Kosteneinsparung.
Der Mensch (als Patient wie als Behandler) ist darin nun mal leider die größte Unwägbarkeit:
Ein Behandler, der sich seiner Sache nicht sicher ist und deswegen erst mal viel Zeit mit "Rumprobieren" verplempert (die ärztlichen Kollegen mögen mir verzeihen, natürlich ist "rumprobieren" etwas, was niemand sich nachsagen lassen will!), um dann irgendwann mal doch an einen Spezialisten zu überweisen, von dem er per "Hörensagen" weiß, daß er ein solcher ist, dessen Expertise für genau dieses Problem aber...
Ein Patient, der sich an Therapieempfehlungen nicht hält, der sein (von einem dritten Menschen!) angefertigtes Korsett nicht verschreibungsgemäß trägt....
Ein Orthopädiemechaniker, der ...
das alles passt nur schwer in eine kaufmännische Berechnung, die einen Krankheitsfall möglichst kostengünstig einem möglichst stabilen Ergebnis zuführen will. Aber es passt sehr gut in eine vom "shareholder value" dominierte Welt, in der alle nur darauf aus sind, einen möglichst glatten Schnitt zu machen.
Die Medizinphilosophie ist geprägt von Ethikkommissionen, die eben zum Erlaß solcher Richtlinien drängen!
Der einfühlsame Arzt und Therapeut, der seine Patienten wirklich ständig betreut, der auf kleine Veränderungen sofort sensibel reagiert, der "ein gutes Händchen mit der
Entwicklung des Körpers hat", so daß er genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tut, der ehrlich im Umgang ist, der Patient, der wirklich vertrauensvoll offen mit seinem Arzt über auch kleine Probleme redet und damit versteckte Ursachen aufdeckt, die als Cofaktoren bestimmter Entwicklungen eine Rolle spielen und der nicht nur versucht, seinem vermeintlich geldgeilen Arzt einen Behandlungsfehler nachzuweisen, das alles sind inzwischen romantische Träumereien, die in unsere moderne Zeit nicht mehr so richtig passen wollen. Ob uns das zum Nachteil gereicht wird sich weisen müssen, es führt jedenfalls zu einer "Entmenschlichung" zu einer zunehmenden Mechanisierung, zu einem (vielzitierten!)und nicht quantifizierbaren Werteverlust und doch irgendwie in die Zukunft.
Deswegen ist es vielleicht vorschnell, darüber entscheiden zu wollen, ob die Unterschrift unter solche Richtlinien einem zur Ehre gereicht oder nicht, es könnte sein, daß irgendwann einmal sich herausstellt, daß die Versorgung retrospektiv von dem Zeitpunkt des Erlasses der -tatsächlich bindenden!- Richtlinien an allmählich immer besser, komfortabler, reproduzierbarer, erfolgreicher etc. geworden ist (oder eben nicht)!
Wir werden den LAUF DER ZEIT nicht aufhalten!